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Das Medienhaus Laumanns

Gestern, heute, morgen: Wir nehmen Sie zum Jubiläum mit auf eine spannende Reise durch die Verlagsgeschichte, die Abteilungen unseres Hauses und das Leben im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung.

„Man muss für diesen Job geboren sein“

Der Weg der Zeitung in den Briefkasten

Von Thorsten Heinke


Für Agnes Rüther aus Kallenhardt beginnt (fast) jeder Tag um 2 Uhr in der Früh. „Man muss, denke ich, für diesen Job geboren sein.“ Seit sage und schreibe 37 (!) Jahren bringt sie die Tageszeitungen „Der Patriot“ und „Soester Anzeiger“ von Haus zu Haus. Mit viel Hingabe und Genauigkeit. Jeder Handgriff sitzt bei der 61-Jährigen. Die 40 Dienstjahre wolle sie auf jeden Fall vollmachen, zeigt sich Rüther ehrgeizig. Ein nächtlicher Streifzug durch die Straßen Kallenhardts.


Gespannt wartet Agnes Rüther auch an jenem Morgen auf den Zulieferer aus Hamm. Pünktlich um 2 Uhr trifft dieser in der Unteren Straße in Kallenhardt ein. Und dann beginnt für Rüther die eigentliche Arbeit. Seit 37 Jahren ist sie Zustellerin, schlägt sich jeden Tag die Nächte um die Ohren, damit Sie, liebe Leser, ihre Tageszeitung morgens druckfrisch auf dem Frühstückstisch liegen haben. Es ist ein Knochenjob, dass wird schnell klar. Doch Agnes Rüther hat stets ein Lächeln auf den Lippen. Zeitungen sortieren, und dann nichts wie los mit der vollgepackten Karre. Gerade im doch bergischen Kallenhardt stößt man da schnell auch mal an seine körperlichen Grenzen – sollte man zumindest meinen. Nicht so Agnes Rüther. Die 61-Jährige ist voll in ihrem Element, steht voll im Saft. Selbst wenn nachts die ersten Katzen anfangen zu heulen, die Vögel zwitschern oder die Schafherde grast. „Mittlerweile kennt ihr mich doch, alles gut“, sagt sie mit leiser Stimme zu den Tieren.


Und schon sind die ersten Zeitungen dort, wo sie hingehören – im Briefkasten unserer Leser. Das Erstaunliche dabei: Agnes Rüther macht das alles aus ihrem Gedächtnis heraus. Keine Liste oder sonst irgendwelche Hilfsmittel. Eine gewisse Routine habe sich über all die Jahrzehnte eingespielt. Sie weiß genau, wohin was gehöre, sagt sie. „Und das Allerwichtigste ist“, erklärt sie, „dass die Zeitungen richtig im Briefkasten oder der Röhre platziert werden, damit sie nicht nass werden.“ Ein überraschender Schauer oder auch ein Gewitter, damit müsse man gerade in den Sommermonaten immer rechnen, weiß Rüther. Deshalb werden vorab auch die Wetter-Apps sowie der Videotext im Fernsehen nach möglichen Gefahren „durchforstet“. Erst kürzlich sei sie durch den lang anhaltenden Regen in der Nacht gezwungen worden, sich zweimal umzuziehen. Das Wasser stand ihr quasi knochentief in den Schuhen. Glatteis und Gewitter, das mag Agnes Rüther überhaupt nicht.


„Ich bin mal sechs Monate aufgrund eines Kreuzbandrisses ausgefallen. Den hatte ich mir aber beim Tennisspielen zugezogen“, erklärt sie. Doch welche Gefahren lauern nachts sonst noch? „Wenn die Leute von einer Party nach Hause gehen, muss man schon Obacht geben, nicht angepöbelt zu werden.“ Zum Glück ist dies Agnes Rüther in Kallenhardt bislang nicht passiert. „Es kommt aber leider schon mal vor, dass einem die Zeitungen vor der Nase weg geklaut werden.“ Das bringe dann ihre gesamte Planung durcheinander, und sei darüber hinaus einfach super ärgerlich.


Bis zu 15.000 Schritte pro Nacht absolviert Agnes Rüther. Der Job hält fit. „Besonders motiviert ist man immer zu Beginn einer Woche“, sagt die Kallenhardterin mit einem Lächeln im Gesicht. Tag für Tag so früh aufzustehen, dass sei halt nicht jedermanns Sache, weiß Rüther. Und schon ist die Karre mit 80 Zeitungen geleert. Gut eine Stunde ist vergangen. Ein kurzes Zwischenfazit: Alles läuft in dieser Nacht, bei übrigens sternenklarem Himmel, reibungslos. Kurz zurück zu Rüthers nach Hause. Nachladen ist angesagt. Noch einmal ein paar Bündel Zeitungen im Schlepptau. Für den zweiten Teil der nächtlichen Tour wird das Auto benutzt. Zu weit wäre der Weg zu Fuß. Rüther: „Obwohl ich das früher auch schon gelaufen bin, doch es nimmt halt viel Zeit in Anspruch.“ Rund zweieinhalb Stunden sind einkalkuliert pro Nacht. Je eher die Zeitungen im Briefkasten landen, desto besser.


Wettertechnisch habe sie wirklich alles schon erlebt, auch Schneestürme im Winter. Rüther: „Gegen die bist du dann teilweise echt machtlos.“ Auch Tiere seien ihr auch schon mal über den Weg gelaufen.

Doch Agnes Rüther hat sich bis heute durchgebissen. Die 137 Zeitungen, die sie in ihren Bezirken verteilt, sind, wenn auch das eine oder andere Mal aufgrund unvorhersehbarer Dinge vielleicht mit Verspätung, immer an den Mann oder die Frau gebracht worden. Und wann macht sie Urlaub? „In den Wintermonaten nicht. Das möchte ich meiner Vertretung nicht zumuten.“ Und dann endet auch schon die nächtliche Tour. Mittlerweile ist es hell geworden in Kallenhardt. Agnes Rüther über Rituale: „Jetzt lese ich erstmal in Ruhe die Zeitung, bevor ich mich nochmal schlafen lege. Ich bin diesen Rhythmus halt gewohnt.“