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Das Medienhaus Laumanns

Gestern, heute, morgen: Wir nehmen Sie zum Jubiläum mit auf eine spannende Reise durch die Verlagsgeschichte, die Abteilungen unseres Hauses und das Leben im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung.

Sven und Diana Aufdemkamp

„Wir können Heimat nicht mehr von einem Ort abhängig machen.“

Sven und Diana Aufdemkamp haben die Segel gesetzt und sind auf Reisen gegangen:  Auf zu neuen Zielen. Die Völlinghauser sind 2020 aus dem Alltagstrott ausgebrochen und haben sich in ein großes Abenteuer gestürzt. 365 Tage lang war das Paar mit seinem Segelboot unterwegs – mit Start in Holland, der Biskaya-Überquerung von Frankreich nach Spanien, Algarve-Aufenthalt in Portugal, einem Zwischenstopp auf den Kanaren, Anlegen auf den Azoren und wieder zurück.  Mittlerweile sind die Kita-Leiterin und ihr Mann, der den europaweiten Service eines großen Elektronik-Industrieunternehmens verantwortet, zurück in der Heimat. Wie das Abenteuer das Heimatgefühl der 30-Jährigen verändert hat: Ein Gespräch über das Weggehen und Wiederkommen.

 


Ein Jahr mit dem Segelboot auf den Weltmeeren unterwegs: Hatten Sie Fernweh oder wie kam es dazu, dass Sie diese Reise gemacht haben?

Sven Aufdemkamp: Fernweh beschreibt es eigentlich ganz gut.  Es war schon immer mein Traum, einmal etwas anderes zu sehen. Meine Frau habe ich damit angesteckt. Es war unser Traum, die Welt zu entdecken, bevor wir mit Kindern sesshaft werden und eine solche Reise erst zur Rente wieder möglich gewesen wäre.


Welche Momente auf Ihrer Reise haben Sie besonders genossen?

Diana Aufdemkamp: Eigentlich gibt’s nichts, was wir nicht genossen haben. Wir sind losgefahren, hatten dauerhaft den Blick auf Strand und Meer, 25 Grad im Schatten. Es gab nichts, wo wir gesagt haben, jetzt ist es nicht mehr schön. Allerdings gab es auch anstrengende Phasen.


Zum Beispiel?

Sven Aufdemkamp: Grundsätzlich haben wir wirklich alles auf der Reise genossen, jeden Moment. Die anstrengenden Phasen ergaben sich eher aus sozialen Gefügen oder waren von außen beeinflusst ­– weniger von den Orten. Selbst als wir auf Teneriffa extra auf den Vulkan in den Schnee gefahren sind, hat uns das nicht unbedingt Heimweh nach Schnee und Winter beschert.

Diana Aufdemkamp: Anstrengenden Phasen kristallisierten sich eher heraus, wenn wir eine lange Segelstrecke hatten. Wir hatten Wind, wir hatten Welle. Zwischenzeitlich haben wir gedacht: Warum machen wir das überhaupt? Bis wir wieder irgendwo angekommen sind und dachten: Ach ja, genau dafür. Ein neuer Ort, neue Menschen, eine neue Umgebung.

 

Was war das schönste Erlebnis?

Sven Aufdemkamp: Das schönste Erlebnis (überlegt). Das ist schwer zu sagen. Für unsere Beziehung war es auf der Reise ein wunderschönes Erlebnis, als die Meldung kam, dass meine Frau schwanger ist. Das war natürlich ein Highlight, das aber nicht so viel mit der Reise an sich zu tun hatte.

Diana Aufdemkamp: Das schönste Erlebnis, das uns im Kopf geblieben ist, ist das, worauf wir uns immer vorbereitet haben und was wir uns nicht vorstellen konnten, etwa drei Tage non-stop auf See zu sein.  Als wir dann wirklich den ersten Endgegner Biskaya bezwungen hatten und außerhalb der Reichweite eines normalen Sommerferien-Urlaubs waren. Das macht man nicht mal eben in den Sommerferien – nach Spanien segeln. Wir haben uns wie kleine Könige gefühlt, die es geschafft haben, in einer anderen Welt zu sein.

 

Wie lange haben Sie sich auf Ihre Reise vorbereitet?

Sven Aufdemkamp: Das ist schwer zu sagen. Von den ersten Träumereien irgendwo im Keller beim Bierchen, bis wir angefangen haben, unsere Zukunft finanziell und vom Boot her darauf auszurichten: acht Jahre.  2012/ 2013, kurz nachdem wir zusammengekommen sind, hat sich herauskristallisiert, dass wir irgendetwas Verrücktes auf unserer Bucket-Liste haben.

Diana Aufdemkamp: Sagen wir mal so: Sven hat immer gesagt, entweder ziehe ich einmal an die Nordsee, wohne da und verändere mein Leben komplett. Oder ich möchte ein Jahr Urlaub mit meinem Segelboot machen. Das war der Punkt, an dem ich immer gesagt habe: Ich kann mir nicht vorstellen, für immer von meiner Familie getrennt zu sein, woanders zu leben und mir ein neues Leben aufzubauen, neue Freunde, ein neuer Job – dann nehme ich lieber ein Jahr Urlaub und komme wieder zurück.

 

Gab es einen Punkt, an dem Sie alles hinwerfen und wieder zurück nach Deutschland wollten?

Diana Aufdemkamp: Ja. Den gab es ziemlich zu Beginn der Reise. Die ersten vier Wochen war man noch in dem Gefühl, wir machen Urlaub. Die ersten acht Wochen ging’s auch noch – ein verlängerter Urlaub. Irgendwann hat sich herauskristallisiert: Wir können nicht jeden Tag erst um 11 Uhr aufstehen und um 12 Uhr ins Bett gehen. Wir wollen was erleben. Wir müssen uns einen neuen Alltag schaffen. Wir sind uns häufiger an die Gurgel gesprungen, 24/7 non-stop aufeinander, die Herausforderung Wind, Welle, weiterfahren, nicht weiterfahren, regelmäßige Diskussionen über das Wetter. Da gab es irgendwann einen Punkt, an dem wir dachten: Entweder finden wir jetzt einen Weg, hier gemeinsam miteinander zu leben oder wir fahren wieder nach Hause, weil hier gerade unsere Beziehung auf dem Spiel steht.

 


Auf einem kleinen Boot kann man sich ja auch nicht optimal aus dem Weg gehen.

Diana Aufdemkamp: Ja, richtig. Und wenn man das Alltagsleben kennt – das muss sich jeder mal ein bisschen auf der Zunge zergehen lassen – verbringen wir alle zehn Stunden auf der Arbeit, vierStunden zu Hause und zehn Stunden im Bett. In unserem Alltagsleben müssen wir uns nicht viel organisieren, aber 24/7 war schon anstrengender.

 

Wie war es für Sie nach einem Jahr zurück nach Hause zu kommen?

Sven Aufdemkamp: Wir sind von einer Herausforderung in die nächste gestürzt. Als wir im August 2021 zurückgekommen sind, war meine Frau bereits im neunten Monat schwanger. Mein Einstieg ins Arbeitsleben und die anstehende Geburt hat uns gar nicht so ein richtiges Zurückkommen bescheren lassen.

 

Sie haben sich gleich in das nächste Abenteuer gestürzt.

Sven Aufdemkamp: Genau. Das kann man so sagen.

Diana  Aufdemkamp: Wir sind uns mittlerweile sicher: Hätten wir nicht direkt neue Ziele und Abenteuer gehabt, wären wir nicht so gut wieder angekommen. Jetzt, wo sich das Leben mit Kind eingespielt hat, kehrt das Fernweh so langsam wieder ein.

Sven Aufdemkamp: Auch die Ernüchterung hier in diesen Gefilden.

 

Was haben Sie beim Reisen an der Heimat schätzen gelernt?

Diana Aufdemkamp: Neben kulinarischen Highlights wie Mett und örtlichen Döner, natürlich die Familie. Das ist für uns ein Stück Heimat. Wir wissen jetzt: Wir können Heimat nicht mehr von einem Ort abhängig machen. Wir sind da, wo wir zehn Jahre lang gelebt haben, ausgezogen. Haben unsere Möbel eingelagert und wohnen jetzt auch woanders. Es ist nicht so, dass wir uns hier super zu Hause und wohlfühlen, sondern wir haben Heimat an Menschen festgemacht: Wir sind wieder nah bei unseren Eltern, bei Freunden.

Sven Aufdemkamp: Als wir über die A44 zurückgekommen sind, hat sich beim Blick auf die Erwitter Skyline kein Schauer mit dem Gefühl ausgebreitet: Wir sind jetzt wieder zuhause. Das ist ausgeblieben.

 

Das Reisen hat das Gefühl von Heimat, den Blickwinkel verändert.

Diana Aufdemkamp: Für mich hatte ich es auch immer anders erwartet. Deshalb wollte ich nie wegziehen, weil ich immer dachte. Das ist meine Welt: Da kann ich nicht raus, da kann ich nicht ausbrechen. Mittlerweile ist eher der Blick aufs Meer das Zuhause. Egal, wo wir diesen Blick aufs Meer haben. Wir sagen: Hier sind wir zum Arbeiten. Und zu Hause, das ist unser Boot.

 

Geht’s also vielleicht doch noch einmal an die Nordsee?

Sven Aufdemkamp: Wir sind uns eigentlich sicher. Mit Kind, Haus und Renovierungen steht dieses Jahr noch einiges an. Mittel- und langfristig ist es unser Plan, wieder rauszufahren.

 

Wohin geht die nächste Reise?

Sven Aufdemkamp: So konkret sind die Pläne noch nicht. Aber wir würden gerne wieder über einen längeren Zeitraum reisen - lieber in Jahren denken als in Monaten.

Diana Aufdemkamp: Warme Gefilde kommen für uns auch eher infrage. Also erstmal wieder in Richtung Kanaren und dann hoffentlich auch mal in Richtung Karibik.

Sven Aufdemkamp: Eine Nordkap-Tour reizt uns jetzt nicht so richtig.

Diana Aufdemkamp:  Und, wie gesagt, für uns ist Heimat, das stellen wir jetzt auch wieder fest: die Gemeinschaft, die wir uns geschaffen haben. Trotzdessen, dass wir ein Jahr weg waren, unsere Tochter zur Welt gekommen ist, wir sind trotzdem immer mittendrin. Das ist gefühlt Heimat.